Der Klügste und Beste

Der Klügste und Beste

Für mich war Niki Lauda nie der schnellste Rennfahrer gewesen. Aber der Beste von allen. Seine Karriereanfänge habe ich im Film „Rush“ nachgesehen. Lauda schaffte es, als akribischer Tester mit großem Technikverständnis eine defektanfällige Fehlkonstruktion namens BRM um Sekunden schneller zu machen. Pro Runde. Er führte sogar im chaotischen Großen Preis von Kanada. Den Sieg konnte er nicht erringen. Das wäre mit dieser Karre ein Wunder gewesen.

Doch Lauda bekam so 1974 den Platz in einem Ferrari, den er zum besten Auto machte. Da und im nächsten Jahr war er nach Meinung vieler wirklich der schnellste Fahrer der Welt. Ich finde, das war der Schwede Ronnie Peterson. Tut mir in memoriam leid, Niki! Peterson aber saß immer zur falschen Zeit mit dem falschen Teamkollegen im falschen Auto.

Im superschnellen Lotus fuhr Peterson Seite an Seite mit dem amtierenden Weltmeister Emerson Fittipaldi. Erst in der zweiten Saisonhälfte kamen die Teammanager drauf, dass Peterson schneller war. Der Weltmeistertitel war längst futsch. Trotz Lauda und Ferrari gewann Peterson im Folgejahr drei Rennen, eines mehr als Niki. Doch sein Lotus war nicht mehr zeitgemäß.

1978 war er es wieder, doch man hatte Peterson einen Vertrag als Nummer zwei gegeben. Er musste hinter dem Amerikaner Mario Andretti herfahren, selbst wenn er ihn locker hätte überholen können. Das war peinlich anzusehen. Bis Peterson in Monza tödlich verunglückte. Als einziger, der Andretti in der WM noch hätte abfangen können.

Inzwischen war Niki Lauda Weltmeister. Im Sommer 1975 hatte er die Konkurrenz in Grund und Boden gefahren. Mit einem überlegenen Ferrari, was ihm und seiner Autoentwicklung zu verdanken war. Peterson war am Beginn seiner Antisaisonen mit einer Rostlaube. James Hunt fuhr für das Team Hesketh, über dem die Pleitegeier geisterten und das sich kaum Ersatzteile leisten konnte. Dem Rest war Lauda fahrerisch weit überlegen. Er holte sich den Titel.

1976 wechselte Hunt zu McLaren und das Thema des Rushfilms begann. Ex-Weltmeister Fittipaldi war seinem Nationalstolz erlegen und hatte sich dem brasilianischen Autoprojekt Copersucar angeschlossen. Nie gehört? Muss man nicht kennen. Denn ab sofort war Fittipaldi unter ferner fuhren. Laudas einziger echter Gegner war Hunt. Niki führte in der WM klar. Bis er verunfallte und fast verbrannte.

42 Tage nach einer Feuerhölle mit 800 Grad fuhr Lauda wieder Rennen. Im strömenden Regen von Fuji, dem letzten Rennen der Saison, stieg er aus. Weil es zu gefährlich war. James Hunt wurde Weltmeister, weil er in einer Aufholjagd sein Leben riskierte. Lauda war für mich nicht bloß besser, sondern klüger.

Danach war Lauda auf keinen Fall mehr der schnellste Fahrer. Seiner Geschichte tat das keinen Abbruch. Im Gegenteil. Er war schnell genug, um den Argentinier Carlos Reutemann in die Schranken zu weisen. Ihn hatte Ferrari geholt, weil die Italiener glaubten, Lauda wäre am Ende. Mit seinem verbrannten Gesicht und dem fehlenden Ohr.

Da in der Formel 1 naturgemäß viel vom Auto abhängt, musste Lauda seinen Teamkollegen schlagen. Nur dann erübrigten sich bei der Schnelligkeit alle Diskussionen. So wirklich live begann ich mich erst 1977 für Lauda zu begeistern. Im Jahr davor war am Tag seines Unfalls die Wiener Reichsbrücke eingestürzt. Offenbar hat das meinen Vater im Fernsehen mehr interessiert, als dass wir Berichte über das Formel 1-Rennen verfolgten.

Nach der verpassten WM konnte und wollte ich mich nicht der Faszination entziehen, dass der vom Unfall gezeichnete Lauda wieder Weltmeister werden wollte. Ja, Hunt war schneller. Doch der englische Lebemann hatte in Wahrheit die Lust verloren. Sein Ziel war erreicht.

Niki Lauda berichtete im Film Rush, wie Hunt ihm später in Badeschuhen auf einem Fahrrad entgegenkam. Daneben dürfte Freund Whisky eine Rolle gespielt haben. So verteidigt man seinen Titel nicht.

Vielleicht war der Südafrikaner Jody Scheckter ebenso schneller als Lauda. In einem „Wolf“ – so hieß das Auto – wird man trotzdem nicht Weltmeister. Das gelang Scheckter erst später in Laudas verwaisten Ferrari. Lauda war jedenfalls schneller als Andretti im schnelleren Lotus. Das genügte und ich war beeindruckt.

Zwei Jahre später trat Niki Lauda zurück: „Ich habe es satt, im Kreis zu fahren!“ Als Lauda 1982 wiederkam, war er noch weniger der Schnellste. Aus dem Kreis war keine andere geometrische Figur geworden. Lauda wollte banal mit dem verdienten Geld seine Fluglinie unterstützen. Noch dazu saß er in einem McLaren, der noch keinen Turbomotor hatte.

Das bedeutete Chancenlosigkeit. Ich weiß vor allem von einem Rennen. Lauda gewann 1983 in Long Beach. Vom 23. Startplatz aus. Glück mag eine Rolle gespielt haben. Doch er war wieder taktisch klüger gewesen als die Konkurrenz.

1984 fuhr Lauda einen Porsche. Das war der langersehnte Turbo, den man in den McLaren einbaute. Es war der mit Abstand beste Auto. Das neue Problem: Sein neuer Teamkollege Alain Prost war nun wirklich viel schneller. Lauda wurde zum dritten Mal Weltmeister. Mit einem halben Punkt Vorsprung. Vor allem weil er klug genug war, öfters als Prost ins Ziel zu kommen. Niki, ruhe in Frieden!